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Für die alten Nordmänner war Trinken weit mehr als nur der Konsum alkoholischer Getränke. Der Genuss von Bier und Met war ein wichtiger Bestandteil ihrer Lebensweise und hatte eine tief verwurzelte kulturelle und religiöse Bedeutung.
Warum verbinden viele Menschen heute die Wikinger so stark mit dem Trinken? In unserer modernen Zeit hat fast jeder schon einmal von den gefürchteten Männern aus dem Norden gehört, aber waren die Wikinger tatsächlich nur Trunkenbolde, die zwischen ihren Raubzügen jedes Getränk herunterkippten? Die Wahrheit ist weitaus komplexer und faszinierender.
Die Trinkkultur der Nordmänner ist einer der wenigen Aspekte der skandinavischen Kultur, bei denen Archäologie und Literatur übereinstimmen. Mittelalterliche nordisch-isländische Sagas sind voll von Geschichten über Met-Trinken, Bierbrauen und schöne Walküren, die gefallenen Kriegern in Valhöll Erfrischungen reichen. Ebenso finden sich im archäologischen Erbe der nordischen Länder zahlreiche Trinkgefäße, Brau-Utensilien und Darstellungen fröhlicher Zecher (1).
Die altnordische Mythologie bestätigt, dass die Nordmänner Alkohol als heiliges Getränk ansahen. Die Geschichte vom Diebstahl des heiligen Mets gehört zu den bekanntesten nordischen Erzählungen und dreht sich um den Gott Óðinn (dessen Name „der Ekstatische“ bedeutet) und seine Suche nach dem magischen Met Óðroerir für seine Verwandten, die Götter von Ásgarðr (2).
Der Met wurde ursprünglich nach einem Friedensschluss zwischen den beiden Göttergeschlechtern, den Asen (Óðinn, Þórr…) und den Vanen (Freyr, Freyja…) geschaffen. Um ihren Freundschaftsbund zu besiegeln, spuckten alle Götter nacheinander in eine Schale, aus der Kvasir, der Weiseste aller Menschen, entstand. Trotz seiner enormen Weisheit konnte Kvasir jedoch seinem Schicksal nicht entgehen: Zwei listige Zwerge töteten ihn und sammelten sein Blut, das zum Met der Poesie, Óðroerir, wurde.
Die Zwerge mussten den Met später an Suttungr, einen Riesen aus den Bergen, übergeben. Als Óðinn von dem neuen Standort des Mets erfuhr, gelang es ihm, in die Berge einzudringen und Gunnlöð, die Tochter Suttungrs und Hüterin des Mets, kennenzulernen. Durch eine List erlangte er schließlich Zugang zu dem kostbaren Getränk und brachte es in Form eines Adlers nach Ásgarðr zurück.
Diese rätselhafte Erzählung wird klarer, wenn man die vielen Symbole analysiert. Zunächst könnte Kvasirs Entstehung aus einer Schale mit Speichel ein uraltes germanisches Ritual symbolisieren: das Zerkauen und Zerkleinern von Beeren, um sie in einer Schale zur Gärung anzusetzen. Diese Theorie wird noch interessanter, wenn man bedenkt, dass der Name Kvasir vermutlich mit dem norwegischen Wort kvase („zerdrücken, zerquetschen…“) verwandt ist (3).
Auch Óðinns Diebstahl des Mets kann symbolisch gedeutet werden. Es ist bekannt, dass die nordischen Riesen (Jötnar) stets als Gegenspieler der Götter betrachtet wurden und die Asen regelmäßig wertvolle Gegenstände, Wissen und sogar Bräute von ihnen erlangten (4). Der skrupellose Óðinn schreckt daher nicht davor zurück, die Maid Gunnlöð zu täuschen, wobei seine Verführung der Riesin als symbolische Hochzeit betrachtet werden kann – eine Verbindung, die er sofort wieder bricht, indem er als Adler entkommt (5).
In der Geschichte heißt es auch, dass Óðinn, nachdem er aus dem Berg entkommen war, von einem wütenden Suttungr verfolgt wurde. Bei dem Versuch, dem riesenhaften Vogel zu entkommen, verschüttete Óðinn einen Teil des Getränks auf die Erde, wodurch die Glücklichen, die es erreichte, zu Gelehrten und Skalden (altnordische Dichter) wurden (6). Diese Legende wird durch zahlreiche Erwähnungen des „Mets der Poesie“ von Skalden aus der Wikingerzeit bestätigt.
Abseits der Mythen zeigt sich, dass das Trinken für die Nordmänner eine durchdachte Tradition war. Der Genuss des heiligen Getränks war ein fester Bestandteil von Festen, Hochzeiten und Versammlungen. Bei diesen Anlässen ehrten die Krieger, die von der Hausherrin bedient wurden, die Götter und ihre Vorfahren, und sie machten Prahlereien und Schwüre, die als heilig galten. Durch das Trinken webten die Nordmänner somit ihr Schicksal und richteten sich an die Götter (7).
Diese Tradition war so stark, dass die Nordmänner selbst nach der offiziellen Christianisierung Skandinaviens daran festhielten. Die Geschichte von Ásbjörn Selsbani, einem christlichen Häuptling aus Nordnorwegen, ist ein perfektes Beispiel für diese Leidenschaft: Ásbjörn benötigte Getreide, um Bier für sein Weihnachtsfest zu brauen, und reiste dafür nach Südnorwegen. Dort wurde er von Soldaten des Königs Olaf gestoppt und nahm Rache, was letztlich zu seinem Tod führte (8).
Sein Tod – ausgelöst durch den Wunsch, die alte skandinavische Trinktradition aufrechtzuerhalten – führte schließlich dazu, dass seine Familie gegen den König rebellierte und sein eigenes Schicksal besiegelte. Wenn der Durst nach einem Getränk Revolutionen und den Tod von Königen auslöst, wird deutlich, dass das Trinken für die Wikinger mehr war als nur das Herunterschütten von Getränken: Es war ein geliebter Aspekt ihrer uralten Kultur, für den sie eher bereit waren zu kämpfen und zu sterben, als ihn aufzugeben.
Quellen:
(1) Rood, Joshua. (2014). Drinking With Óðinn: Alcohol and Religion in Heathen Scandinavia .Reykjavík. Háskóli Íslands. (2)
(2) Faulkes, Anthony (Trans.). (1987). Snorri Sturluson Edda. London. J.M. Dent. (51 + 62 – 64)
(3) Rood, Joshua (2014). Ibid. (3)
(4) Simek, Rudolf, (1984). Dictionary of Northern Mythology. Cambridge. D.S. Brewer. (108 + 208 + 345)
(5) Rood, Joshua (2014). Ibid. (5)
(6) Rood, Joshua (2014). Ibid. (4)
(7) Rood, Joshua (2014). Ibid. (9 – 11)
(8) Storm, Gustav (Trans.). (1930). Snorre Sturlasson Kongesagaer. Oslo. J.M. Sternersens Forlag. (353 – 384)