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Eine Geschichte über das Nordlicht: Sámi-Erzählung über den Jungen, der die Sonne, den Mond, die Sterne und das Nordlicht verspottete.
Es waren einmal zwei Brüder, die hinausgingen, um die Rentiere zu trennen. Am Morgen, als die Sonne aufging, begann der jüngere Bruder zu joiken (eine Form des Sámi-Gesangs):
Der Sonnenmann scheint,
ruft all das an, was kalt ist.
Eis und Schnee verbrennt er,
jedem Federkleid verleiht er Leben.
Da sagte der ältere: „Lieber Bruder, ärgere nicht Gottes Schöpfung!“ Doch der jüngere Bruder kümmerte sich nicht darum und joikte weiter, immer lauter. Kurz darauf zog ein dichter, wirbelnder Schneesturm auf, und die Sonne verschwand hinter einer Wolke. Weiterzugehen war unmöglich. Die Brüder schlugen ihr Zelt auf und mussten mehrere Tage lang dort bleiben. Als es schließlich aufklarte und der Mond am Himmel erschien, sang der Jüngere:
Kleiner Mond, Mikkel-Ding, la la,
sitzt wie ein Tropf im Ring,
blinkt im Schwarz der Nacht, Naina.
Kalter Frost, den er bringt!
Die Sonne, die will er vergessen.
Sein Bruder forderte ihn auf, damit aufzuhören, aber er kümmerte sich nicht darum. Dann zog ein dichter, dunkler Nebel auf. Sie befanden sich mitten auf dem Berg und mussten drei Tage lang dort bleiben, weil sie den Weg nicht fanden. Da sagte der ältere: „Jetzt siehst du, was passiert, wenn du mit Gottes Schöpfung spielst!“
Als sich der Nebel lichtete, war das Wetter klar. Die Sterne leuchteten hell, und wieder begann der Jüngere zu joiken:
Stjernepilt (Sternenspieß), Stjernedilt, ja, ja,
blinke ein bisschen, winke ein bisschen – ja.
Plötzlich kam ein Feuerball herab und traf sein Rentier. Es stürzte zu Boden und verendete. Da sagte sein Bruder: „Was meinst du, was dir passiert, so verrückt wie du bist? Wenn du nicht aufhörst, wirst du es sehen.“ Das Rentier war tot, aber der Jüngere entgegnete nur: „Ein totes Rentier, aber eins bleibt. Ich habe schon Schlimmeres gesehen!“
So setzten die Brüder ihren Weg fort, doch der Jüngere musste den Schlitten ziehen. Am Abend hielt der Ältere an, ließ sein Rentier grasen und wartete auf seinen Bruder. Er entzündete ein Feuer und begann zu kochen. Als das Essen fertig war, kam sein Bruder an. Nachdem sie gegessen hatten, erschien ein starkes Nordlicht. Der Jüngere begann zu joiken:
Nordlicht fließt, lip, lip, lip,
Schweinefleisch im Mund, lip, lip, lip.
Hammer im Kopf, lip, lip, lip,
Axt auf dem Rücken, lip, lip, lip.
Sein Bruder bat ihn, aufzuhören, doch er sang nur noch lauter. Da begann das Nordlicht wild zu flackern und mit solcher Wucht gegen den Schnee zu schlagen, als würde jemand mit hartem Leder zuschlagen. Der ältere Bruder kroch unter den Schlitten. Doch das Nordlicht traf den Jüngeren und verbrannte seinen pesk (Felljacke) und ihn selbst bis zur Unkenntlichkeit. Nach diesem Vorfall zog der ältere Bruder weiter, mit schwerem Herzen und Trauer um seinen verlorenen Bruder.
Deshalb glauben die alten Sámi noch heute, dass es gefährlich ist, das Nordlicht zu reizen. Wer es tut, könnte seine Wut auf sich ziehen und ein Opfer des Nordlichts werden.
Man sagt, man habe den Körper des Jungen nie gefunden.
Quelle:
http://www.trestammersmote.no/les_mer.asp?id=140, Qvigstad: Lappiske eventyr og sagn, Nyere språkdrakt: Arvid Hanssen, Ramfjorden, samisk historie og samtid i Ramfjordområdet- Ramfjordlaget